Schorschis größter Wunsch ging nie in Erfüllung
Vom Christkind wünschte er sich eine Eisenbahn zu 2,95 Mark
Jedes Jahr machen sich die Menschen viele Gedanken, was sie ihren Liebsten zu Weihnachten schenken sollen. Von Mal zu Mal wird es schwieriger, da sich Otto Normalverbraucher das, was er braucht, meist leisten kann und es bereits käuflich erworben hat. Nein, aufs Christkind sind die Menschen immer weniger angewiesen. Mehr auf den Internethandel, wo auch noch einen Tag vor Heilig Abend Geschenke bestellt werden können und auch rechtzeitig ankommen. Oft auch überflüssige Geschenke, weil bereits vorhanden. Was nun findige Leute dazu bewogen hat, Tauschbörsen für Weihnachtsgeschenke einzurichten. Sorgen, die sich die Menschen vor 100 Jahren nicht machen mussten.
War früher wirklich alles besser? Nein, nicht alles. Dennoch wünschen sich viele Menschen, insbesondere zu Weihnachten, eine Zeit zurück, in der ein stimmungsvolles Treffen mit der Familie und einem gemeinsamen Essen an Heilig Abend weit mehr galt, als teure Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Lassen wir doch mal Joachim Königbauer (1849-1935) zu Wort kommen, der in seinen Kindheitserinnerungen aus dem Jahr 1925 unter anderem auf das Thema Weihnachtsfest einging.
„Sehr verschieden von der Gegenwart gestaltete sich in meiner Jugend das Weihnachtsfest für die Kinder Etterschlags“, schrieb Joachim Königbauer. „Vom Christbaum mit seinem Schmuck und Lichterglanz und den herrlichen Gaben, die die Augen der Kinder groß und glänzend machen, wusste man in Etterschlag nichts. Wir Kinder gingen abends um sieben Uhr ins Bett, standen um zehn oder halb elf Uhr wieder auf und waren mit den Erwachsenen um zwölf Uhr nachts beim Festgottesdienst in Walchstadt, von dem wir um halb zwei Uhr zurückkehrten. Nun versammelte sich die ganze Familie um den Tisch, den alsbald warme Blut- und Leberwürste, sowie Schmalznudeln zierten. Wir ließen uns die leckeren Gaben trefflich schmecken, legten uns sodann ins Bett und erhoben uns um halb sieben Uhr wieder, da um sieben Uhr in Etterschlag ein feierliches Amt war.“
Das winterliche Vergnügen bestand aus waghalsigen Schlittenfahrten oder aber aus nicht ganz ungefährlichen Spielen, zu denen sich die Dorfjugend am zugefrorenen Weiher traf, erzählte Königbauer weiter. In der Mitte desselben wurde ein Pfahl von der Dicke einer Wagenachse geschlagen. War er schön eingefroren, stülpte man ein Wagenrad darüber, das wiederum mit langen Stangen versehen wurde. An deren Ende befanden sich Schlitten, die per Muskelkraft angetrieben wurden. Je schneller sich die Schlitten drehten, desto mehr Mut war erforderlich.
Aus Schorschis Eisenbahn wurde nichts
Armut war früher ganz normal, weil die meisten Menschen arm waren. Viele Geschichten darüber hat der Dießener Martin Meier zusammen getragen und veröffentlicht. Unter anderem erzählt er vom kleinen Schorschi, der Jahr für Jahr 14 Tage vor Weihnachten an das Christkind schrieb: „Liebes Christkind! Ich wünsche mir eine Eisenbahn. Eine solche wie im Katalog. Wenn du keine mehr hast, dann wünsche ich mir Plätzchen, zwei Oranschen und Handschue. Dein Schorschi.“
Obwohl die Eisenbahn-Garnitur damals nur 2,95 Mark gekostet hatte, ging Schorschis Wunsch nie in Erfüllung. Weshalb er sich später als Lehrbub die Mark vom Munde absparte und sich seine Eisenbahn dann selbst kaufte. Uli Singer