Bei Energiemangel Hygiene reduzieren?
Ein Bad pro Woche für alle Familienmitglieder?
Baden anno dazumal – Im Anschluss der Film mit Helmut Schwarz…
Die Aufregung war groß, als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kürzlich empfahl, in Zeiten von Energieeinsparungen statt einem Bad mal mit dem Waschlappen Vorlieb zu nehmen. Grausame Vorstellungen, nach einem Tennis- oder Fußball-Match oder gar nach einem anstrengenden Arbeitstag nicht unter die Dusche zu gehen oder aber auf ein gemütliches Bad verzichten zu müssen. Das war nicht immer so. Fragt mal eure Großeltern, wie sie es anno dazumal mit der Hygiene gehalten haben. Oder ihr lest die Geschichte, die der Hechendorfer Helmut Schwarz (1945 bis 2018) einst aufgezeichnet und in einem Buch veröffentlicht hat.
Zur Welt kam Helmut Schwarz anno 1945, also zu einer Zeit, als es in den Wohnungen noch keine Bäder gab. Vielleicht bei Grafen und Königen. Aber nicht beim einfachen Bürger. Auch nicht im Elternhaus von Helmut Schwarz. „Allwöchentlich samstags wiederholte sich der Ritus“, schreibt Schwarz. „Es war Badetag, oder auch Waschtag.“ Dazu wurde im Keller der Waschkessel, in dem normalerweise die Wäsche gekocht wurde, angeheizt. Durch das Anheizen des Wassers entstand zudem eine angenehme Wärme im Keller. So, und nun ging es eine die körperliche Reinigung, die seinerzeit wirklich nur einmal die Woche stattfand. Inmitten des Raums stellten die Eltern eine Zinkbadewanne auf, in die das heiße Wasser mittels Kübel geschüttet und mit kaltem Wasser aufgefüllt wurde. So lange, bis eine angenehme Badetemperatur erreicht war.
Und jetzt erzähl ich euch etwas, was ihr kaum glauben werdet. In ein und dasselbe Badewasser stiegen am Badetag in vielen Familien nacheinander alle Familienmitglieder. Erst der Papa, dann die Mama und zuletzt kamen die Kinder an die Reihe. Damit die Badetemperatur aber angenehm blieb, wurde etwas abgekühltes Badewasser aus der Zinkwanne entnommen und durch heißes Wasser aus dem Heizkessel aufgefüllt.
Helmut Schwarz aber hatte Glück. „Ich durfte damals als Kind bereits als erster in die Wanne steigen. Zimperlich aber durfte ich nicht sein. Meine Mutter benutzte Kernseife und eine grobe Bürste, um den Dreck der Woche abzuwaschen. Die Haare wurden mit Essigwasser nachgespült. Dann kam ich raus, aus der Badewanne und wurde mit einem Handtuch abgetrocknet, das der Zeit entsprechend hart wie ein Brett war. Vorteil war, dass durch das Abrubbeln mit dem brettharten Handtuch die Durchblutung gefördert wurde.“
Ja, so war es damals. Und das ist noch nicht einmal 100 Jahre her. Vielleicht tut’s bei ein bisschen Nachdenken dann gar nie nicht so weh, wenn mal auf den einer oder anderen gemütlichen Badetag verzichtet werden muss.
Uli Singer