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Erna Söhnel im Alter von 91 Jahren verstorben

Das Interview entstand 2018 für das Buch „Hauptsach‘ g´sund samma“

Erna Söhnel ist das, was man die gute Seele eines Hauses, in diesem Falle aber der Gilchinger Gemeindeverwaltung, nennt. Fast vier Jahrzehnte lang war die heute 88Jährige Hausmeisterin im alten Rathaus. Das Besondere: fanden Sitzungen statt, übernahm sie den Service. Früher nämlich war es üblich, sich während einer Sitzung eine Zigarre anzustecken oder aber auch ein Bierchen zu trinken. Und viele der Räte nutzten es aus, dass im Rathaus das Bier einfach günstiger war, als in der Wirtschaft.

„Ja, früher war alles viel gemütlicher“, stellt Erna Söhnel fest. Das Leben sei nicht einfacher gewesen, nein, „es ist halt menschlicher zugegangen“, weiß sie. „Auch bei uns im Rathaus. Mei, da war noch was los“, erinnert sich die gebürtige Gilchingerin. Gab es ein internes Fest, Fasching, Geburtstage oder son-stige Jubiläen, dann wurde kein Catering-Service gerufen. „Meist hat der Rehm vom Bauamt gekocht und die Brigitte und ich haben den Kartoffelsalat zubereitet. Eine Riesenschüssel, damit auch alle satt wurden.“ Gefeiert wurde im Keller des alten Rathauses, und dies oft bis in die frühen Morgenstunden.

Eigentlich wollte Erna Söhnel Schneiderin werden. „Das Talent hätte ich gehabt. Aber die Eltern wollten, dass ich Bedienung werde.“ Im Gasthof zur Post in Weßling machte sie ihre Ausbildung. „Gesetzliche Auflage war, dass ich um 22 Uhr auf mein Zimmer gehen musste. Das wurde streng gehandhabt. Außer, es waren die Kartler da. Dann ging die Chefin heim und ich musste so lange bleiben, bis der letzte Gast gegangen war.“

Bevor sie ins Rathaus nach Gilching überwechselte, war die engagierte Servicekraft bei den Amis am Flughafen Oberpfaffenhofen im Dienst. „Die haben eine Bedienung für das Casino gesucht. Wir waren drei Bewerberinnen. Voraussetzung aber war, dass wir vor Antritt einen Englischkurs besuchen. Die anderen zwei haben sofort die Segel gestrichen. Ich lernte Englisch und bekam den Job.“ Ins Rathaus zog die junge Familie, weil das Haus, in dem sie wohnten, abgerissen wurde und deshalb eine neue Bleibe gesucht wurde. Heinrich Will, gerade zum Bürgermeister gewählt, bot dem Ehepaar Söhnel und den zwei Söhnen an, in den ersten Stock vom Rathaus zu ziehen, gleichzeitig aber den Hausmeisterservice zu übernehmen.

Insgesamt hat Erna Söhnel unter vier Bürgermeistern gedient. Auf Will folgten Hans Ostermair, Thomas Reich und Manfred Walter. „Der Will wollte zur Sitzung immer ein richtiges Haferl Kaffee. Der Rest der Räte bestellte Spezi, Weißbier, Zigaretten, Zigarren oder a Maß Helles.“ Ja, und da sei ihr beim Servieren etwas sehr Peinliches passiert, räumt sie ein. Hätte es damals schon Handys und Facebook gegeben, der Clip wäre millionenfach angeklickt worden. „Ich ging also mit dem vollen Tablett, auf dem vier Gläser Bier und ein Glas Spezi standen, in den Sitzungssaal. Und wie ich das erste Bier dem Krammer Hans hinstellen wollte, kippt doch glatt das Tablett samt Gläser nach vorne. Da Krammer und der Forner Erich bekamen die ganze Soße ins Kreuz geschüttet. Nur den Spezi konnte ich retten.“ Was anschließend geschah, erzählt Gottfried Krischke, damals Geschäftsstellenleiter der Gemeinde und Chef von Söhnel. „Die Erna rannte raus und weigerte sich vehement, den Sitzungssaal noch einmal zu betreten. Die Sauerei am Boden aber hat damals die CSU-Gemeinderätin Adelheid Dörmer aufgewischt. Nur durch gutes Zureden brachte ich die Erna dann doch noch dazu, weiterhin den Service im Sitzungssaal zu übernehmen.“

Mit dem Hausmeisterservice war es vorbei, als die Verwaltung ins neue Rathaus an die Pollinger Straße umzog und das alte Rathaus abgerissen wurde. Heute lebt Erna Söhnel zwar im Betreuten Wohnen, doch die sozialen Kontakte sind geblieben. „Wenn die Rathausverwaltung mittags zum Essen geht, was meistens am langen Donnerstag der Fall ist, rufens an, und nehmen mich mit“, freut sich die Rentnerin. Außerdem koche sie täglich für ihren Sohn, der sich freut, wenn er Mittag etwas Gescheites zu Essen bekommt. „Mia gfoids so, wias is und i bin froh, dass i so oid worn bin.“


Uli Singer

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