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Der Herrenreiter vom Hippodrom liegt in Oberalting begraben

Nur sechs Tage nach seiner letzten Wiesn starb er 1962 im Alter von 77 Jahren

„O’zapft is“ heißt es auch heuer wieder auf der Münchner Theresien-Wiesn. Zum 188sten Mal jährt sich der Welt größtes Fest. Viele alte aber auch neue Fahrgeschäfte laden die mutigen Besucher zu abenteuerlichen Fahrten ein. Höher, steiler und gefährlicher schauen sie aus, die modernen Achterbahnen, Schleudertürme oder Karussells. Wer die Wiesn allerdings von früher noch kennt, erinnert sich gerne an das historische Hippodrom.


Gemütlich ging es zu und ein Umritt auf einem echten Pferd dauerte etwa fünf Minuten und kostete 50 Pfennige. Bis in die 70iger Jahre hinein war dies eine Attraktion, ohne die das Oktoberfest nicht das gewesen wäre, was es war. In diesem Zusammenhang nicht wegzudenken ist Franz Halmanseger aus dem Seefelder Ortsteil Oberalting. Viele Jahrzehnte lang schwang er als Herrenreiter im Hippopodrom die Reitpeitsche. Das kleine Podium im Vorraum des mit Spiegeln ausgelegten Raums war seine Bühne. Und wenn dann die Musik einsetzte, begann er vor dem Publikum seine elegante Pantomimik und ahmte unter anderem auch den Trab der Pferde nach. Eine Gastronomie gab es seinerzeit im Hippodrom nicht. Der Eintritt war frei. Tausenden von Wiesnbesuchern wurde so ein kostenloses Vergnügen beschert. 

Start war beim Entfesslungskünstler Houdini

Angefangen hatte Halmansegers „Oktoberfest“-Laufbahn als Assistent beim damaligen Entfesslungskünstler Houdini. Das Jahr über war Halmanseger Lademeister bei der Bahn. Doch sobald das Oktoberfest nahte, reichte er seinen Urlaubsantrag ein. Die Beziehung zu Houdini stellte seine Schwester her, die wiederum mit dem Theaterdirektor August Schichtl verheiratet war. Irgendwann versuchte sich Halmanseger selbst mit einer Schaustellerbude auf der Auer Dult. Dort entdeckte ihn der Hippodrom-Besitzer Carl Gabriel und engagierte ihn wegen seines humorvollen Auftretens vom Fleck weg. 43 Jahre lang war der Oberaltinger Gentleman mit Zylinder, Monokel und weißer Chrysantheme im Knopfloch das wichtigste Requisit im Hippodrom. Pantomimisch verkörperte der einfache Bahnarbeiter über zwei Wochen lang die Schein-Welt der Aristokraten.

„Treten Sie ein, Herr Baron, die Pferde sind gesattelt, alles Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde. Was wäre Attila der Hunnenkönig, gewesen, ohne sein Pferd, was Karl May ohne sein edles Arabervollblut. König Richard III. hätte sogar sein Königreich für ein Pferd hergegeben und bei uns im Hippodrom können Sie für wenige Mark eines haben und brauchen nicht durch Nacht und Wind zu reiten, wie der Erlkönig selig. Wohlauf meine Herrschaften, aufs Pferd, aufs Pferd…“.

 Nur sechs Tage nach seiner letzten Wiesn starb er im Oktober 1962. 77 Jahre ist Halmanseger geworden. In einem stillen Winkel des Oberaltinger Friedhofs findet sich das Grab des eleganten Herrenreiters vom Hippodrom.  


Uli Singer

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