Der Traum vom Fliegen anno 1998 – Lediglich Karl Roth suchte das Weite…
Mit dem Rosinenbomber im Sturm über die Zugspitze und zurück
Oberpfaffenhofen – Es stürmt, Orkanstärke, Regen peitscht in die Gesichter der 50 Menschen, die am Eingang des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen suchend gen Himmel blicken. Darunter unter anderem der damalige Bürgermeister von Andechs, Karl Roth, sowie der frühere Vize-Bürgermeister von Gilching, Harald Schwab. Jemand behauptet, ein Brummen zu hören. „Fehlalarm – ich höre noch nichts“, sagt Werner Kraft von „South Africa Airlines“ enttäuscht…
„Die Maschine müsste längst da sein“, stellt Kraft fest. Ein erneuter Versuch, über das Handy Kontakt zum Flughafen Zürich herzustellen, von wo aus die Dougles DC 4 starten sollte. Was durch den Sturm über lange Zeit verhindert wurde. „Der Flieger ist gerade gestartet. In einer Stunde wird er da sein“, freut sich Kraft. Ein Aufatmen und ein begeistertes Jubeln geht durch die aufgeregten Fluggäste. In gut sechzig Minuten werde man einer fliegenden Legende gegenüberstehen. Einer der Gäste macht den Vorschlag, Kaffee trinken zu gehen, um die Wartezeit zu überbrücken. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Keiner hat Lust, die Ankunft der DC 4 zu verpassen. Eisern hält man aus, das Ticket für einen einmaligen Oldtimer-Rundflug in der Tasche. Bis auf Karl Roth. Der Andechser Bürgermeister ist angesichts der zunehmenden Sturmböen sichtlich blass um die Nase geworden. „Da fällt mir ein, ich habe tatsächlich einen wichtigen Termin vergessen. Ich muss sofort umkehren und diesen wahrnehmen“, erklärt er plötzlich. Ihm tun es weitere drei Gäste gleich, die sich jäh an wichtige Termine erinnern. Der Orkan lässt grüßen.
Sichtlich erleichtert verlassen die vier Probanden das Szenario. Gilchings Vize-Bürgermeister Harald Schwab sowie Ehefrau Tina halten tapfer aus. „Dieser Flieger hat schon ganz andere Stürme überstanden“, betont Schwab. Und dann hat das Warten ein Ende. Der Nachfahre des legendären Rosinenbombers nimmt Kurs auf die Landebahn. Die begeisterten Fluggäste sind außer sich vor Freude. Ein „Aaahhhh“ und ein „Ooohhhh“ geht durch die Menge. „Nichts wie hin und rein“ mahnt Gerhard Killian von „Air-Service“ zum Aufbruch. Via Reisebus geht’s über das Flughafen-Areal zum Rollfeld. In der Aufregung werden einige Passagiere vergessen, die „nur mal kurz“ im Casino verschwunden waren. Sie werden vom Dornier Sicherheitsdienst dann doch noch zum Flugzeug gebracht.
Und da sitzen wir nun bequem und mit viel Platz in diesem wunderschönen Flieger. „Wir hatten in Zürich zweimal versucht, zu starten. Mussten aber wegen des stürmischen Wetters wieder abbrechen“, erklärt Captain Flippie Vermeulen die Verspätung. Und: „Ihr müsst euch darauf einstellen, dass der Flug heute sehr holprig wird.“ Die geblieben sind, stört es nicht. Für alle Fälle werden Tüten ausgegeben. Überflüssig, wie sich anschließend herausstellt. Den Sturmböen zum Trotz gleitet die mit einem Kolbenmotor betriebene DC4 sicher durch die Wolken und die Windböen. Gerade so, als wollte sie uns sagen: „Ich nehme es mit jedem Newcomer der Welt auf.“
Uli Singer
aus Starnberger Merkur vom 26. August 1998
Anmerkung anno 2023: Der Flug ging damals über die Alpen, explizit auch über die Zugspitze zurück nach München mit Stippvisite Flughafen Erding. In Erding schwebte die DC 4 jedoch lediglich bis auf wenige Meter über die Landebahn um dann mit Schwung wieder zu starten. Da der Flieger keinen Boden berührt hatte, musste auch keine Lande- und Startgebühr entrichtet werden.