Seefeld/Oberalting – „O’zapft is“ hieß es am Samstag wieder auf der Münchner Theresien-Wiesn. Und zu tausenden stürmten die Menschen mit und ohne Tracht auf das Welt größte Fest. Höher, steiler und gefährlicher schauen sie aus, die modernen Achterbahnen, Schleudertürme oder Karussells. Wer die Wiesn allerdings von früher her kennt, erinnert sich gerne an das historische Hippodrom. Rekommandeur aber war über vier Jahrzehnte lang Franz Halmanseger aus Seefeld-Oberalting.

Gemütlich ging es zu und ein Umritt auf einem echten Pferd dauerte etwa fünf Minuten und kostete 50 Pfennige. Bis 1962 war dies eine Attraktion, ohne die das Oktoberfest nicht das gewesen wäre, was es war. In diesem Zusammenhang nicht wegzudenken ist Franz Halmanseger aus dem Seefelder Ortsteil Oberalting. 43 Jahre lang schwang er als Herrenreiter im Hippopodrom die Reitpeitsche. Das kleine Podium im Vorraum des mit Spiegeln ausgelegten Raums war seine Bühne. Und wenn dann die Musik einsetzte, begann er vor dem Publikum seine elegante Pantomime und ahmte unter anderem auch den Trab der Pferde nach. Eine Gastronomie gab es seinerzeit im Hippodrom nicht. Der Eintritt war frei. Tausenden von Wiesnbesuchern wurde so auch ein kostenloses Vergnügen als Zuschauer beschert.
Start war beim Entfesselungskünstler Houdini
Angefangen hatte Halmansegers „Oktoberfest-Laufbahn“ als Assistent beim damaligen Entfesselungskünstler Houdini. Die Beziehung zu Houdini hatte seinerzeit seine Schwester eingefädelt, die wiederum mit dem Theaterdirektor August Schichtl verheiratet war. Irgendwann versuchte sich Halmanseger selbst mit einer Schaustellerbude auf der Auer Dult. Dort entdeckte ihn der Hippodrom-Besitzer Carl Gabriel und engagierte ihn wegen seines humorvollen Auftretens als Rekommandeur für seine Pferdebahn.
Das Jahr über ging Halmanseger als Lademeister bei der Bahn einer seriösen Tätigkeit nach. Doch sobald das Oktoberfest nahte, war er nicht mehr zu halten. Er reichte umgehend seinen Urlaubsantrag ein, um dann im Hippodrom als Einpeitscher die Menschen zu unterhalten. Bis zu seinem Tode war der Oberaltinger Gentleman mit Zylinder und weißer Chrysantheme im Knopfloch das wichtigste Requisit im Hippodrom. Pantomimisch verkörperte der einfache Bahnarbeiter über zwei Wochen lang die Schein-Welt der Aristokraten.
„Treten Sie ein, Herr Baron, die Pferde sind gesattelt, alles Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde. Was wäre Attila der Hunnenkönig, gewesen, ohne sein Pferd, was Karl May ohne sein edles Arabervollblut. König Richard III. hätte sogar sein Königreich für ein Pferd hergegeben und bei uns im Hippodrom können Sie für wenige Mark eines haben und brauchen nicht durch Nacht und Wind zu reiten, wie der Erlkönig selig. Wohlauf meine Herrschaften, aufs Pferd, aufs Pferd…“.
Nur sechs Tage nach seiner letzten Wiesn starb Fritz Halmansegger im Oktober 1962 im Alter von 77 Jahren. In einem stillen Winkel des Oberaltinger Friedhofs findet sich das Grab des eleganten Herrenreiters aus dem Hippodrom.
Uli Singer