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In Anselm Bilgri schlägt ein Münchner Herz

Aufgewachsen ist er im so genannten Franzosenviertel in Haidhausen

In der Adventszeit wird auf stanet.de jeweils am Sonntag ein symbolisches Kerzerl angezündet, indem Prominente eine Geschichte erzählen. „Heimat“ ist das jeweilige Thema. Als Start erscheint heute eine wahrlich schöne Erzählung des ehemaligen Paters Anselm Bilgri vom Kloster Andechs. Dass er als Kind mit Sicherheit auch einige Flausen im Kopf hatte, ist unbestritten. Doch lassen wir ihn selbst erzählen:

Heimat trägt man im Herzen:

„Obwohl ich viele Jahre auf dem Heiligen Berg in Andechs als Seelsorger für viele Menschen da war, meine eigentliche Heimat ist München. Vielmehr der Ortsteil Haidhausen, in dem ich – 1953 in Unterhaching geboren – als Kind aufgewachsen bin. Im sogenannten Franzosenviertel. Ihr fragt Euch jetzt, wieso Haidhausen Franzosenviertel genannt wird. Das kam so. Als 1872 die ersten Straßen rund um den Orleansplatz angelegt wurden, benannte man sie nach Orten siegreicher Schlachten des Deutsch-Französischen Krieges, der anno 1870/71 stattfand. Wie beispielsweise Sedanstraße, Bordeauxplatz, Bazeillesstraße oder Pariser Platz. Das ist jetzt 150 Jahre her und selbst viele Münchner wissen gar nicht mehr, woher die Namen kommen. Wir Kinder aber auch viele Erwachsene konnten damals kein Französisch und deshalb haben wir die für uns fremd klingenden Worte einfach so ausgesprochen, wie sie geschrieben wurden. Das hätte bei einem echten Franzosen wahrscheinlich zu Lachanfällen geführt. Mir ist aber keiner begegnet. Lange Rede, kurzer Sinn – auch heute noch, wenn ich durch mein Münchner Viertel fahre und an meinen ehemaligen Spielplätzen vorbeikomme, geht mir das Herz auf. 


Anselm Bilgri als Knirps beim Skifahren. Als er Bekanntschaft mit einem Bach machte, in den er hineingefallen war, hat ihn die Mama wieder herausgezogen, trockengelegt und ihm ihren Pullover und ihre Bluse angezogen. Das Foto beweist, dass spätere Mönche durchaus aufgeweckte Jungs waren, die dem Fotografen auch mal die Zunge ausstreckten. Im Hintergrund auf dem Foto cremt sich gerade die Mama mit Sonnenschutzöl ein. 


Benediktinermönch wurde ich 1975 im Alter von 22 Jahren. Erste Station war das Kloster St. Bonifaz in der Münchner Innenstadt. Eigentlich wollte ich ein Leben lang, auch als Mönch, in München bleiben. Plagte mich doch schon als Kleinkind arges Heimweh, auch wenn wir nur für ein paar Stunden einen Autoausflug aus München heraus unternahmen. Furchtbar schlecht sei mir damals während der Autofahrt geworden, erzählte meine Mutter. Das war schlagartig vorbei, entdeckte ich bei der Rückfahrt meine vertrauten Münchner Frauentürme. Deshalb bin ich auch deshalb schon überzeugt, dass man sich stets da zu Hause fühlt, wo man aufgewachsen ist. 

Heimat war mir auch über lange Zeit das Kloster Andechs, wo ich über viele Jahre hinweg als Prior und Wallfahrtsdirektor einiges auf die Beine stellte. Unter anderem gründete ich 1992 die erfolgreichen Festspiele „Orff in Andechs“. Es war eine wunderschöne Zeit. Oft fragen mich die Menschen, wieso ich denn 2004 aus dem Kloster ausgetreten bin und dem Benediktinerorden den Rücken kehrte? Es waren verschiedene Gründe, die mich zu diesem Schritt veranlassten. Das geht übrigens nur, wenn auch der Papst in Rom seine Zustimmung gibt. Eines aber weiß ich ganz bestimmt: Der liebe Gott versteht mich und ist mir deshalb auch nicht böse. Trotzdem, Andechs und die Menschen, die dort wohnen, sind mir ans Herz gewachsen und stückweit auch Heimat geblieben. Deshalb interessiert mich alles, was rund um den Heiligen Berg so passiert. Heimat trägt man einfach im Herzen mit sich herum, egal auch, wo man zwischendrin mal Rast macht.“

Anselm Bilgri

aus „Fünfse(h)enland“ aus dem Uli Singer Verlag



Uli Singer

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