25 Jahre rot-weiße Leidenschaft – und kein bisschen leise
d'Guichinger FC Bayern-Fan feierten "25 Jahre Treue"
Rutschen andere um die Fünfzig herum in die Midlife-Crisis, kaufen sie sich gar ein Cabrio, eine E-Gitarre oder buchen schlimmstenfalls einen Yoga-Kurs auf Bali, nicht so die Guichinger Bayernfan. Sie bleiben daheim und das einzige, was sie aus ihren vier Wänden heraus locken könnte – egal ob fünfzig oder achtzig, ist ihr FC Bayern. Und so feierten sie am Samstag ausgelassen auch ihr „silbernes Jubiläum“ – mit Bier, Steckerlfisch, Bratwurst, Eis und einer Urkunde, die auch noch den Urenkeln zeigen wird, wer in Gilching einmal das Sagen hatte.
„25 Jahre Treue an der Seite unseres FC Bayern München – das schafft nicht einmal so manch‘ Ehepartner“, sagte doch auf Anfrage Bayerns wohl bekanntester und beliebtester Spieler Thomas Müller.
Begonnen hatte alles einmal als Stammtisch mit dem nicht sehr viel versprechendem Slogan: „Wir schauen halt mal, was der FC Bayern so treibt“. Und während sich Otto Normalbürger in Gilching bei Wind und Wetter aufs kuschelige Sofa zurückzieht, pilgern die Old-Guichinger Fans seither unerschrocken ins Stadion – selbst dann, wenn der Anstoß gefühlt noch in der Steinzeit liegt – also um 15:30 Uhr.
Doch was ist das Geheimnis dieser rot-weißen Lebensgemeinschaft? Ganz einfach: Bei Bayern-Fans ist Zusammenhalt keine leere Floskel. Da wird mitgefiebert, mitgelitten (selten, aber dann richtig) und mitgefeiert – bis die Weißwürste platzen. Und selbst wenn’s mal sportlich kriselt (also… vielleicht einmal pro Jahrzehnt), dann heißt es nicht „Mia san weg“, sondern „Mia san mia“.

„Mia Guichinger haben nun über ein Vierteljahrhundert bewiesen, dass Fan-Sein mehr ist, als das Tragen eines Trikots. Es ist ein Lebensgefühl – irgendwo zwischen Vereinsliebe, Grillabenden, Auswärtsfahrten mit zu wenig Schlaf und einem kollektiven „mei, der Müller war heit wieda guad!“, erklärt Roland Schrafstetter.
Und weils einfach gmiadle war am Samstag, im Erdinger „Sportpark Schollbach“, und auch schon das eine oder andere Bier die Kehle hinunter geflossen ist, machte im Laufe der 25-Jahr-Feier so manch‘ Anekdote die Runde.
„Mei, unser Detlef, gäi. Heit is ea ja net do“, stellt da Kramer Peter fest. „Seit 2003 gäd der doch glatt mit oam und dem säiban Trikot zu jedem Spui. Egal, ob dahoam oder auswärts. Ungewaschen versteht sich’s, oiso s`Trikot. Weil’s halt Glück bringa dadat, sogt er, da Detlef. Glück ham mia heit, weil er net do is… er muffelt hoid scho a bißerl arg, mit dem ungewaschenen Teil. Des ersparen wir uns. Prost dann denn, Mannen!“


Harald Schwab, der mit seiner Frau Tina mit zu den treuen Fans gehört, fällt dann plötzlich die Gschicht von da Rosi ein. „I sog nur, 2012 im Stadion von Bernabéu. Hat doch die Rosi glatt vor lauter Nervosität vergessen, ihre Bratwurst zu essen. Und ihr glaubts es kaum, mia in d’Kapuzn von meim Pullover gsteckt. Weil i aber säiba so nervös war, hob i des goa nia net gspannt und mi beim Weg ins Hotel nur gwundert, warum mia plötzlich olle Hund schnüffelnd hinterher laffa.“
„Des is no go nix“, meldet sich Roland erneut zu Wort. „Legendär ist allemal die Geschichte von Dir, unserem Improvisationsgenie. Erinnerst di no? Beim Auswärtsspiel in Augsburg? Wie Du verzweifelt dei Ticket gsuacht host und nimma gfundn?“ „Ja scho“, konterte da Harald Schwab, um auch gleich stolz zu erklären, dass das für ihn kein Problem dargestellt habe.
„I hob mein Bayern-Schal großzügig um mein Hois gwickelt und bin mit einem vertrauenswürdigen „Servus beinand!“ einfach durch den VIP-Eingang marschiert. Do muaßt scho unerschrocken sein und den Augenblick nutzen, wo se de Aufpasser erst amoi verdutzt oschaung. Und bevor do oana reagiert hot und irgend etwas unternehmen hätt können, hab‘ i erklärt, ich wäre der neue Mentalcoach von dene, de no auf der Ersatzbank sitzen miaßn. Man ließ mich gewähren.“
Noch lange wurden Anekdoten erzählt, die mit jeder Maß Bier, die serviert wurde, merkwürdiger wurden. Viel erlebt aber hat die Fan-Gruppe in 25 Jahren schon. Meisterschaften, Triple-Jubel, Trainerwechsel (gefühlt im Monatsrhythmus), aber auch hitzige Diskussionen über Taktik, Transfers und Spielerqualitäten.
Und obwohl jeder dieser eingefleischten Bayern-Fans am Samstag beim Festakt die vergangenen Spiele jeweils auf seine eigene Weise interpretierte („Hinten drin steh is koa Taktik nia net!“ – „Doch, wenn’s Nagelsmann halt so sagt!“) und auch so manche Anekdoten in Frage gestellt wurden, in einem waren sich die Oldies einig: Der FC Bayern ist kein Hobby. Er ist Familie. Und bei Familie bleibt man – egal ob’s regnet, stürmt oder ob der Lewandowski plötzlich für Barcelona rennt.

Deshalb gab’s in Erding für die „Guichinger“, die bei jedem Spiel in den Stadien zusammen sitzen und auch gemeinsam ihre Elf anfeuern, aus der Hand des ersten Vorsitzenden Werner Simmerl eine Urkunde für 25 Jahre Treue – und ein Versprechen: „Die nächsten 25 Joa san scho in Planung. Mit Rollator, oder ohne – aber gwieß mit vui, vui Verve.“
ERGÄNZUNG – der journalistischen Korrektheit zuliebe: Der FC Bayern feierte 2012 im Bernabéuer Stadion den Einzug ins Champions League-Finale. Im Halbfinale vor zwölf Jahren hatten die Bayern das Hinspiel in München dank eines Last-Minute-Treffers von Mario Gómez mit 2:1 gewonnen
Uli Singer – garantiert ohne Garantie für eine sauber geführte Recherche und bekennender 60iger seit ihrer Kindheit.
Fotos: Roland Schrafstetter