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Uneringer Bauer ging mit Jauche gegen Travestie-Show vor

Künstler wie Publikum trotzen dem Gestank und Millionen von Schmeißfliegen

Schad‘ wär’s, wenn immer mehr kuriose Geschichten in Vergessenheit gerieten – zumal es an gutem Nachschub mangelt. Liegt es an den Menschen, die früher ohne Internet und Handy schlichtweg einfallsreicher waren …und, gefühlt weit mehr Humor hatten, als heute? Selbst wenn die G’schichten oft zum Nachteil unschuldiger Mitbürger ausgegangen sind, im Nachhinein waren sie stets lustig. Wir haben’s damals gut ausgehalten und die teils witzigen, aber auch persönlichen Episoden aufgeschrieben. Peu a peu werden sie nun auf stanet.de „kostenfrei“ veröffentlicht.


Unering – Alban Roulance (gestorben 1992) gehörte damals, als ich ab den 80iger Jahren noch alleinige Veranstalterin von Jazz-, Kabarett- und Kleinkunstabenden sowie Betreiberin des „Wörthseebrettls“ im Landkreis Starnberg war, zu den ganz großen Travestiestars. Der Franzose sang im Gegensatz zu vielen anderen Travestiekünstlern live, konnte tanzen und begeisterte sein Publikum insbesondere durch seinen charmanten Umgang. War er schon Solo ein Star, der stets für ein volles Haus sorgte, kam mit Peter Ambacher, Künstlername „Miss Piggy“, als Show-Partner auch die Komik nicht zu kurz. Unvergesslich aber ein Auftritt des Duos im Seefelder Ortsteil Unering. Der Ort war damals mehr durch die umstrittene Müll-Umladestation bekannt, als dass da jemand auf die Idee kommen würde, auf der großen Wiese oberhalb der Müllkippe ein Open-Air – vielmehr eine hochkarätige Travestie-Show mit dem Duo „Alban & Miss Piggy“ – zu veranstalten.

Alban überreichte mir eine Geburtstagstorte

Alban & Miss Piggy kamen pünktlich gegen 15 Uhr zum Aufbau. Es war Samstag und sehr heiß. Erwähnt werden muss, das Travestiekünstler stets mehr Gepäck mitschleppen, als andere Künstler. Federboas, aufregende Kleider mit tausenden von Pailletten bestückt, Tüll, Taft, Samt, Seide und Stöckelschuhe ohne Ende. Stolz war Alban auf seine Kostüme, weil er sie alle selbst nähte.

So schleppten also Alban und Miss Piggy bei 30 Grad im Schatten Koffer für Koffer auf die provisorisch aufgebaute Bühne – Peter Geske von Gut Geske unterstützte uns – hängten die Kleider auf und ordneten die Utensilien dorthin, wo sie gebraucht wurden. Und immer wieder hörte man Alban laut schwärmen: „Schau, Pailletten, nichts als Pailletten.“

Miss Piggy übernahm damals den komischen Part der Show. Als kugelrundes Baby, das zu Bill Ramseys Babysitter-Song mit Schnuller im Mund über die Bühne robbte oder als Rock’n’Roll tanzende Putzfrau, die das Publikum mitriss.

Je nun, die Veranstaltung war ausverkauft, das Publikum hatte auf Bierbänken Platz genommen und wartete gespannt auf den Gong. Bevor es jedoch losging, begann ein Uneringer Landwirt auf einem angrenzenden Feld zu Düngen. Mit dem Odelwagen fuhr er die Bahnen auf und ab und auf und ab und das ohne Unterlass. Und wenn der Tank leer zu werden schien, holte er Nachschub.

Wer weiß, wie Odel stinkt, weiß, welch‘ Höllenqualen sowohl die Künstler als auch das Publikum ausgestanden hat. Zumal die Jauche Millionen Schmeißfliegen anlockte. Da mochte Miss Piggy auch noch so viel Parfüm zerstäuben, es nützte nichts. Jeder andere Künstler hätte bei dem Gestank das Handtuch geworfen – was sicher im Sinne des Bauern gewesen wäre. Nicht so Alban und Miss Piggy. Sie holten aus ihrem unerschöpflichen Fundus überdimensionale Fächer und spielten heftig wedelnd gegen Odelgeruch und Schmeißfliegen an. Das Publikum war begeistert vom Durchhaltevermögen der zwei Stars und schützte sich selbst durch Schals und Taschentücher, sie sie vor Nase und Mund hielten.

Der fleißige Bauer aber düngte, begleitet von französischen Chansons, unermüdlich weiter. Moulin Rouge in Unering.

Uli Singer

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